14. Juni 1967: Statt des Autos - Katzenzungen

14.6.2017, 07:19 Uhr
14. Juni 1967: Statt des Autos - Katzenzungen

© Gerardi

Die ahnungslose Gewinnerin wurde von den Betrügern mit einer Schachtel Schokolade abgespeist. Über einen spanischen Gastarbeiter verkauften die Angestellten das Los mit dem Haupttreffer für 2.300 DM an einen italienischen Kellner, der von dem Schwindel nichts wusste und dem inzwischen bereits der Kraftfahrzeugbrief für den Wagen ausgehändigt worden ist.

Der aufsehenerregende Schwindel, der schlagartig die Lotterie in ein schiefes Licht gerückt hat, war von der 21-jährigen Irene B. und ihrem Freund Manfred P. (24) schon seit langer Zeit geplant. "Wenn eine ältere Person mit einem Haupttreffer erscheint", so hatte der Bursche seine Bekannte aufgefordert, "dann gibst du einfach eine Trostpreis heraus und behältst das Los". Vor einigen Tagen trat der erwünschte Fall ein.

Irene am Schalter mogelte

Bei Irene an der Gewinnausgabe meldete sich eine etwa 60- bis 70-jährige Dame und lieferte ein Los mit der Nummer 49.000 ab. Die 21-Jährige wußte sofort, daß es sich hier um einen Hauptgewinn handelt. Mit freundlichen Worten überreichte sie der Frau ein Päckchen "Katzenzungen" und ließ das gewinnträchtige Los verschwinden. Danach trat der 24-jährige Manfred P. In Aktion. Über den 26-jährigen Spanier Jose A., der für seine erfolgreiche Vermittlerrolle eine Provision von 450 DM erhielt,wurde der Gewinnabschnitt an den ahnungslosen italienischen Kellner Carlogero F. (28) veräußert. Von ihm waren ursprünglich 3.000 DM verlangt worden, aber er feilschte hartnäckig um den Preis, so daß ihm schließlich das Los für 2.300 DM überlassen wurde.

Von dem Erlös erhielt die 21jährige Irene 650 DM, während ihr Freund den Restbetrag von 1.200 DM in seine Tasche steckte. Der Italiener meldete als stolzer Besitzer eines neuen Autos sofort seinen Gewinn an. Weil niemand Verdacht schöpfte, wurde ihm gleich der Kraftfahrzeugbrief überreicht. Aber schon wenig später flog der Schwindel auf: das verliebte Betrügerpaar entlarvte sich mit seinem Verhalten selbst. Irene hatte kurz vor dem Schwindel bei ihrem Chef noch über Geldmangel geklagt. Bereits einige Stunden nach dem "perfekten Geschäft" prahlte sie mit "blauen Scheinchen". Dazu sagt der Chef des Unternehmens "Lotterie und Werbung": "Ich nahm Irene B. Sofort ins Verhör. Nach anfänglichem Leugnen gestand sie die Unregelmäßigkeiten mit Manfred P." Ihr Arbeitgeber zog postwendend die Konsequenzen: er entließ seine ungetreuen Mitarbeiter fristlos und meldete den Vorfall der Kriminalpolizei.

Bestand der Lotterie gesichert

Daneben benachrichtigte er die Regierung in Mittelfranken, die für die Genehmigung der Tombola zuständig ist. Da sich der Chef sofort bereit erklärte, ein zusätzliches Auto in der gleichen Serie auszuspielen und die Kosten selbst zu tragen, war der Bestand der Lotterie gerettet. Vermutungen über frühere Unregelmäßigkeiten bei der Verkehrssicherheitslotterie weist der Firmenleiter energisch zurück. "Das ist absolut unmöglich", versichert er. Im übrigen erinnert er dann, daß in der Gewinnausgabe ein Plan öffentlich aushängt, aus dem alle Haupttreffer zu ersehen sind.

Damit sei eine absolut sichere Kontrolle möglich. In diesem Zusammenhang legt der Organisator der traditionellen Nürnberger Tombola an der Klarakirche, Afag-Leiter Helmuth Könicke, Wert auf die Feststellung, daß er nichts mit der Tombola der Verkehrswacht zu tun habe. Seine Lotterie stehe unter der Aufsicht der Staatlichen Lotterieverwaltung.

Nach den bisherigen Ermittlungen steht fest, daß der Italiener das Auto behalten darf. "Er wußte von dem Schwindel nichts", meint die Kriminalpolizei, "und hat im guten Glauben gehandelt". Daß er bei dem "Tausch" ein gutes Geschäft gemacht hat, spielt keine Rolle. Hereingelegt wurde die unbekannte Frau, die eines der insgesamt 16 Autos gewonnen hatte, aber von ihrem Glück nichts ahnte. Sie hat zwar eine Rechtsanspruch auf den 4.500-DM-Wagen, aber sie muß den Nachweis liefern, daß sie das Gewinnlos besessen hat. Und der dürfte ihr schwerfallen.

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